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Booklet

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6. Wissenschaft und Kunst des Laiendolmetschens: Der Einsatz des Mediums Forum-Theater, um dolmetschenden Kindern eine Stimme zu geben

Einführung
Ob es uns gefällt oder nicht – Kinder werden bei Arztbesuchen oft als DolmetscherInnen eingesetzt. Dies ist eine Praxis, die häufig nicht nur als minderwertig, sondern außerdem als in ethischer Hinsicht höchst problematisch angesehen wurde. Die wenigen empirischen Untersuchungen, die zum Thema Kinder als Dolmetscher durchgeführt wurden, ergeben jedoch ein ganz anders Bild: Kinder sind oft sehr gut im Dolmetschen für ihre Familienangehörigen; die Tätigkeit erfüllt und befriedigt sie; und sie treffen dabei auf Vorbilder, die sie zu einer späteren beruflichen Laufbahn als ÄrztInnen oder Krankenschwestern/-pfleger anregen können. Dennoch ist die Rolle von Kindern als Dolmetscher zwiespältig und schwierig, sie bringt ein komplexes Machtgefüge mit sich und stellt (oft) hohe intellektuelle und soziale Anforderungen an das Kind.

Methoden
Im Rahmen einer EU-finanzierten Lernpartnerschaft zum Austausch von Erfahrungen zu Dolmetsch- und Interessenvertretungsdiensten im europäischen Kontext rekrutierten wir sechs Kind-DolmetscherInnen, die inzwischen 16 bis 17 Jahre alt waren, aber seit ihrem 7. Lebensjahr dolmetschten. Die Kinder nahmen alle an einem vorbereitenden Sommerkurs für Medizin für SchülerInnen aus sozio-ökonomisch unterprivilegierten Verhältnissen teil. Mit zwei professionellen MitarbeiterInnen der Forum-Theater-Methode entwickelten sie auf der Grundlage ihrer Erfahrungen Theaterszenen. Diese führten sie als unvollendete Theaterstücke bei einem internationalen Workshop auf, an dem TeilnehmerInnen aus verschiedenen EU-Staaten beteiligt waren. Dabei bezogen sie das Publikum mit in die verschiedenen Geschichten ein.

Ergebnisse
Die Jugendlichen präsentierten ein starkes und bewegendes Bild der Erfahrung von Kind-Dolmetschern. Sie brachten durch die gespielten Szenen vielfältige und widersprüchliche Gefühle zum Ausdruck und bestätigten damit, dass die Rolle des Dolmetschers bei Praxisbesuchen sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Kind hat. Zur Sprache kamen Themen wie Zeitdruck, fehlendes Mitgefühl seitens der KlinikärztInnen für die Anforderungen ihrer Rolle, Verwirrung bei medizinischer Fachterminologie, mangelnde Gesundheitsbildung bei der/dem Verwandten für die/den gedolmetscht wird, und die schwere Verantwortung der Übermittlung einer Nachricht, die bei dem/der Verwandten vermutlich Ärger oder Trauer hervorrufen wird. Die Beteiligung des Publikums förderte die Auseinandersetzung mit der Erfahrung der Kinder und machte deutlich, dass es bei diesem komplexen Thema keine einfachen Antworten gibt.

Fazit
Das Forum-Theater ist eine effektive Methode, um komplexe soziale Situationen näher zu betrachten, aber vor allem, um Personen, die in solchen Situationen wenig Macht haben, eine Stimme zu geben.

Autorin und Rednerin
Trish Greenhalgh
Professor of Primary Health Care (Professorin für Primäre Gesundheitspflege)
University College London
403 Holborn Union Building
Highgate Hill
London N19 5LW
Tel.: +44 (0)20 7288 3246
Fax: +44 (0)20 7281 8004
E-Mail p.greenhalgh@pcps.ucl.ac.uk

Co-Autor/innen
John Eversley, Frances Rifkin, Jane Hoey

Präsentationsformat
Mündlich

Preise
NAPCRAG, European Travel Award

Themenschwerpunkte
Bildung und Ausbildung
Andere (Gesundheit von MigrantInnen)

Besondere Interessensgebiete
Bildung und Ausbildung